Die Konfitürenseite des Lebens

Böses ahnend starrte ich die Brotschnitte auf dem Fussboden an: Natürlich, Konfitürenseite nach unten! Neue Lehmkacheln, unversiegelt. Hochempfindlich auf Verschmutzung, hatte der Plattenleger gewarnt. Aber wir sind ja hier nicht bei den Wilden, lachte ich.

 

Dabei begann der Morgen so gut: Ich hörte den Wecker, die Dusche lieferte problemlos auch warmes Wasser und selbst der Kaffeeautomat produzierte sofort und anstandslos heissen Espresso, ohne dass irgendeine Warnlampe blinkte.

 

Nachdem aber die Schnitte mit dem Fussboden kollidiert war, konnte natürlich nur noch Schlimmeres erwartet werden. Und wirklich: Der Bus war proppenvoll, ich direkt hinter einer Blondine, deren Parfum mir Hustenreiz verursachte. Und sie fuhr auch noch bis zu meiner Haltestelle. Im Büro Mailpanne, Internet ist im Moment tot, sagten die vom Support. Auch gut, dann halt gleich Kaffee, bleibt ja nichts anderes übrig ohne Netzzugang.

 

Da stand die Blondine in Parfum gehüllt vor dem Automaten: Neu hier, keine Ahnung, welchen Schalter... Rote Warnlichter blinkten: Kaffeebehälter leer! Der Blick aus blauen Augen machte mich fliegen. Na bitte, also Bohnen reinschmeissen. Der Sack riss in der ganzen Länge auf, super, im Giesskannenprinzip rauschten die Bohnen über Maschine, Tisch und Blondine, natürlich auch in den Wasserbehälter. Also auswechseln, zack, einsetzen, oh sorry, war falsch herum, Wasserfall vor die Füsse der Schönen. Und gleich darauf eine neue Warnlampe, genau, Satzbehälter voll, wieder Blick aus blauen Augen, dieses Vertrauen! Ausgerechnet jetzt flatterten die berühmten Schmetterlinge im Bauch und natürlich auch im Satzbehälter, braune Suppe schwabberte, spritzte, auf weissen Pullover und der Depp in mir plapperte los, schwafelte, wischte mit Papierserviette, nass, Flecken und schliesslich rauschte das Parfum davon, ohne einen Blick zurück.

 

Und auch keine Zweifel, wie’s weiterging, na, Sie wissen schon: Die Mailbox füllte sich nach dem Neustart mit 653 altbekannten Mails der vergangenen drei Monate und ich löschte die wichtigen zwei aktuellen Mails auch gleich mit, endgültig! Der Arbeitskollege wartete mit seinem Mitgefühl, bis der Chef zuhörte und gegen vier rief Anne-Sophie an: Was das sein sollte mit dieser Konfitürenschnitte in der Küche, sie sei ausgerutscht und in den Geschirrschaft gekracht und wir würden in Zukunft wie in Drittweltländern aus Scherben essen.

 

Damit war endgültig Schluss. Ich liess den ganzen Klamauk hinter mir und machte mich weg auf ein Bier. An der Theke natürlich Fred, total aufgedreht, der Typ. Stell dir bloss vor, legte er gleich los, so ein Tag heute, so ein Tag! Meine Laune sank einer Tiefenbohrung gleich noch weiter.

 

Beginnt doch beschissen, Mann! Fred strahlte: Fällt mir doch gleich beim Frühstück mein Konfitürenbrot zu Boden! Natürlich süsse Seite nach unten, klar? Auf das Birkenparkett, verstehste? Bringt man nicht mehr raus, den Fleck, klar! Kann ich endlich die Birke ersetzen! Na, denk’ ich, kann nur besser kommen! Und wie! Steh’ ich im Bus hinter einer Schwarzhaarigen, Mensch, einen Duft strömt die aus – und Augen! Mann, wir sehen uns immer nur an, aber keiner sagt was, wie das so ist, nicht? Steigt aber bei meiner Haltestelle aus! Werd’ ich mir merken, denk’ ich, seh’ sie sicher wieder!

 

Tja, und im Büro: Netzabsturz, toll! Sowas von friedlichem Morgen! Dafür Rabautz am Kaffeeautomaten: natürlich alle Warnlichter voll am Blinken, der reinste Christbaum und keiner weiss was tun. Na, und ich ran, alles raus und rein und wechseln und so und spritz dabei die Neue voll, hey, und wie wir uns ansehen, feixend, merk’ ich, es ist die Schwarzhaarige, es sind die Augen aus dem Bus und der Duft! Was haben wir gelacht und gleich auf einen Kaffee nach unten zu Giorgio, na ja, war doch im Eimer nach meinem Einsatz, der Automat!

 

Tja, grinste Fred, und dann die Mailbox nach dem Einschalten gestrichen voll mit altem Zeugs und da find’ ich doch glatt die beiden wichtigen Mails, die ich letzte Woche versifft hab! Was hat der Wagner gestaunt, als ich ihm die Dinger rüberjage, sagts gleich dem Chef, meint, ich sei so ein Ass auf der Kiste. Und das Schönste: Ruft mich doch um vier Dorothe an, sie sei auf dem dämlichen Brot ausgerutscht und nun sei das hässliche Service der Schwiegermutter endlich reif für die Schutthalde! Ein Tag, sag ich dir, ein Tag wie aus dem Bilderbuch! Aber kein Wunder, Fred grinste bescheuert, kein Wunder, hat ja auch mit einem herrlichen Knalleffekt begonnen!

 

Und vermutlich war er dann auch noch erfreut, dass ich ihm gleich mein Bier ins Gesicht schüttete, das Glas auf die Theke knallte und ging – in eine andere Bar.

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